Erläuterungen zur Vorlesung TWK an der TU-Berlin
Inst. f. Ökologie
(LV von 1986 - 2016)
 
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für die LV Vegetationsökologie Tropischer & Subtropischer Klimate
sEp   A5-01
   
   
  Die flächentreue Peters - Erdkarte
Das Neue Weltbild
 
 

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Quelle der Karte: http://www.heliheyn.de/Maps/Ungarn_E.htm [date of access: 26.05.05]
 
Wortlaut von Teilen eines Vortrages, den Prof. Arno Peters am 6. Oktober 1967 auf Einladung der Historischen und der Geographischen Klasse an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Budapest gehalten hat.
 
 
" .... Hier stehen nun die Länder in ihren rechten Proportionen: Schweden ist nicht mehr grösser als Spanien, Kanada nicht mehr grösser als Südamerika und die Sowjetunion nicht mehr grösser als ganz Afrika. Auch die wirkliche Ausdehnung des indonesischen Inselreiches wird deutlich. Brasilien erscheint in seiner echten Proportion, wie die Heimat aller farbigen Völker hier in ihrer tatsächlichen Grösse sichtbar wird. Betrachtet man auf dieser Karte etwa die Sowjetunion und China, so versteht man die politischen Probleme zwischen diesen beiden fast gleichgewichtigen Riesen. Freilich mussten für diese Vorteile absoluter Flächentreue, relativer Wohlproportioniertheit und vollständiger Rechtwinkligkeit Mängel in Kauf genommen werden. Dabei zählt die sich zunächst aufdrängende Nicht-Übereinstimmung dieses Bildes der Erde mit unserer alten Vorstellung nicht zu diesen Mängeln. Denn dieses uns liebgewordene Bild der Erde ist unhaltbar geworden in einem Augenblicke7,da die farbigen Völker in ihre Rechte getreten sind und ihre Länder endlich von uns wie von ihnen selbst in ihren echten Proportionen wahrgenommen werden müssen. Die wirklichen Mängel liegen in dem bedauerlichen Umstande, dass auch die neue, ORTHOGONALE ERDKARTE eine Verzerrung von Gebieten mit sich bringt, die in der Mercatorkarte globusähnlicher abgebildet waren. Wenn auch dagegen die Verzerrungen der Mercatorkarte in anderen Gebieten der Erde viel krasser sind, so dass man durch ein Festhalten an ihr insgesamt auch in dieser Hinsicht nichts gewinnen würde, so muss sich die neue Karte doch mit ihren zum Teil ungewohnten Formen erst durchsetzen. Bedenkt man aber, dass etwa Grönland auf der alten Weltkarte grösser dargestellt war als das siebenmal grössere Südamerika, dann wird man vielleicht bereit sein, die bei der neuen Erdkarte in Äquatornähe besonders ins Auge fallenden Verzerrungen in Kauf zu nehmen.

Wohlgemerkt: es handelt sich bei der Verzerrung auf der neuen Weltkarte - im Gegensatz zu derjenigen der alten Weltkarte - niemals um eine Verzerrung der Grössenordnungen. Die Proportionen der Kontinente und Staaten untereinander stimmen genau. Nur die Form weicht in einigen Regionen der Erde mehr, in anderen weniger von den wirklichen Formen auf der Erde ab, wie bei allen Kartenprojektionen der gesamten Erdoberfläche. Dieser Mangel lässt sich aber in einem Atlas leicht korrigieren, weil auf dessen Einzelkarten mit der gleichen Projektion unter Beibehaltung vollkommener Flächentreue die Kontinente und Länder wesentlich formtreuer dargestellt werden können. Dass aber die Form unserer eigenen europäischen Heimat auf dieser neuen Erdkarte fast wirklichkeitstreu wiedergegeben ist, lässt mich hoffen, dass die europäischen Völker sich mit ihr abfinden. Dass die farbigen Völker es begrüssen werden, endlich eine Weltkarte zu besitzen, auf der sie selbst in der rechten Proportion und also mit ihrem echten, hinter ihrer Grösse stehenden Potential in Erscheinung treten, scheint sicher.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin nicht für die Abschaffung der Mercatorkarte. Sie wurde vor 400 Jahren im Zeitalter der Entdeckungen geschaffen, damit die Seefahrer ihre Routen besser finden. Für sie war der Vorteil der Winkeltreue dieser Karte so wichtig, dass sie dafür alle Verzerrungen in Kauf nahmen, sogar die Verzeichnung der auch für sie wichtigen Entfernungen, die auf der Mercatorkarte häufig 100 Prozent beträgt (so erscheint etwa die Entfernung Moskau - Behringstrasse auf der Mercatorkarte doppelt so gross wie die Entfernung Moskau - Ceylon, die in Wirklichkeit genau gleich gross ist. Ebenso verhält es sich mit den tatsächlich gleichen Entfernungen Aden-Buenos Aires und Aden - Alaska, die auf ihr wie 1:2 erscheinen). Wenn sich die Mercatorkarte trotz aller Nachteile bis heute gehalten hat, so muss ihr Wert für die Schiffahrt gross sein. Deshalb wird sie für diese Zwecke beibehalten werden, solange sie die Anforderungen der Seefahrt erfüllt als Spezialkarte, wie sie auch die Luftfahrt hat. Es ist aber nicht einzusehen, warum Nicht-Seeleute sich zur Orientierung über die Erde noch heute dieser und anderer ähnlich verzerrter Erdkarten bedienen.

Doch nicht nur unsere Erdkarten geben die Wirklichkeit in perspektivischer Verzerrung wieder, unsere ATLANTEN vertiefen dieses Zerrbild der Erde. Sie sind insgesamt EUROPA-ZENTRISCH. Kleine Länder wie die Schweiz (41.000 qkm) werden auf einer eigenen Doppelseite dargestellt, wenn sie den Vorzug haben, in Mitteleuropa zu liegen. Zehnmal grössere ausser-europäische Länder, wie Kamerun (475.000 qkm), muss man auf einer grossen Übersichtskarte ("Afrika" oder "Nordafrika") suchen. Selbst ein 200mal grösseres Land wie Brasilien (8.512.000 qkm), ist nicht auf einer eigenen Doppelseite dargestellt, sondern auf einer Übersichtskarte von Südamerika zusammen mit einem Dutzend anderer Staaten, oder es ist auf mehrere Teil-Übersichten von Südamerika verstreut.

Die aussereuropäischen Staaten werden dabei in wesentlich kleinerem Massstab dargestellt; auch kommen sie in ihrer Individualität nicht zur Anschauung. Dieser doppelte Mangel wird vom Benutzer aber nicht realisiert. So erscheinen die Staaten Mitteleuropas als selbständige SUBJEKTE EINER INDIVIDUALISIERENDEN ERDBETRACHTUNG, die übrigen Staaten aber als blosse OBJEKTE EINER GENERALISIERENDEN GEOGRAPHIE.

Wie aber sieht es nun mit den GESCHICHTS-ATLANTEN aus, die in gewisser Weise ein Bindeglied zwischen Geographie und Geschichte darstellen? Sie zeichnen sich durch DIE GLEICHE PERSPEKTIVISCHE VERZERRUNG aus wie unsere Geschichtsbücher, Atlanten und Erdkarten. Eine Analyse der historischen Atlanten vom guten alten Putzger und Spruner bis zu den neuen westdeutschen (Westermann) und ostdeutschen (Volk und Wissen) Geschichtsatlanten zeigen, dass durchschnittlich 56 Prozent der Karten der ausschliesslichen Darstellung Europas und seiner einzelnen Staaten gewidmet sind, während nur 8 Prozent der Karten die übrigen vier Kontinente ohne Europa darstellen. Die restlichen 36 Prozent der Karten zeigen Europa mit Teilen der Welt. Dabei werden sie noch hauptsächlich als Objekte europäischer Eroberungspolitik dargestellt. Zudem ist der grösste Teil unserer historischen Atlanten mit der Geschichte der letzten vier Jahrhunderte angefüllt (= Blütezeit Europas), während die vier Jahrtausende vorher, in denen die Grundlagen unserer Kultur vorwiegend in Asien und Afrika geschaffen wurden, nur in wenigen, ganz groben Zusammenfassungen behandelt werden (~ Blütezeit fast aller aussereuropäischen Länder). Dieses geographische Weltbild ist geeignet, die Selbstüberschätzung des weissen Mannes, besonders des Europäers, zu verewigen und die farbigen Völker im Bewusstsein ihrer Ohnmacht zu halten. Ausserdem bleibt die Geschichte Europas ohne die Kenntnis der Geschichte aller übrigen grossen Kulturen der Erde unverständlich. Statt als Korrektiv der Disproportionalität in den allgemeinen Atlanten und Geschichtsbüchern zu wirken, unterbauen also unsere Geschichtsatlanten das enge perspektivisch verzerrte Weltbild. Schliesslich muss noch erwähnt werden, dass 93 Prozent der Karten in den angegebenen historischen Atlanten eindeutig der politischen und Kriegs-Geschichte zugehören. So wird die Überschätzung der politischen Seite der Menschheitskultur auch von unserer historischen Geographie getragen und gefördert.

Ein ganzheitliches Weltbild setzt aber die streng paritätische Behandlung ALLER LÄNDER, ALLER LEBENSBEREICHE UND DER GANZEN HISTORISCHEN ZEIT voraus. Diese grundlegende Veränderung unseres geographisch-historischen Weltbildes ist nicht von heute auf morgen zu verwirklichen - ihre Notwendigkeit wird aber durch die Weltentwicklung täglich zwingender.

Abschliessend dürfen wir feststellen, dass die Überwindung der dreifachen perspektivischen Verzerrung der Wirklichkeit im geographisch-historischen Weltbilde der Gegenwart als Aufgabe erkannt ist, dass Wege zu ihrer Bewältigung gefunden sind, und dass es Menschen gibt, die bereit sind, die hierfür notwendigen Arbeiten zu leisten.

Ich danke Ihnen, dass Sie mir durch Ihre freundliche Einladung die Möglichkeit gegeben haben, Ihnen meine Arbeitserfahrungen, meine Anschauungen und meine Absichten mitzuteilen, und ich hoffe zuversichtlich, dass auch meine ungarischen Kollegen an den notwendigen Arbeiten zur Vertiefung und Verbreitung eines umfassenden und also wirklichkeitstreuen historisch-geographischen Weltbildes teilhaben werden.

Copyright 1967 by Universum-Verlag GmbH München-Solln

 

Vergleichen Sie zum Thema, auch Pro & Contra, zum Problem von Flächen- oder Winkeltreue:

Vollständiger Vortrag von Prof. Arno Peters
Zur Kartenprojektion und den unterschiedlichen Methoden der Kartografie (aus Wikipedia) Hinweis
Eine Welt, Magazin aus Mission und Ökumene, Nr.1 Februar 1996, S.17)
Wie funktioniert die Peters-Projektion?
Kritische Anmerkungen von ARTE / Archimedes (vom 19. Juni 2001)

[last date of access: 24.05.11, tw. nicht mehr online am 01.01.2020]

 
 
 
Copyright © Harald Kehl
Alumnus der TU-Berlin - Institut für Ökologie

 
 
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